Mein Flamenco

Veröffentlicht auf von Jessica Haß

Am Samstag waren Martin und ich mit unseren chinesischen Bekannten Pablo und Gloria bei einer Vorstellung der Casa de Andalucía: anderthalb schöne Stunden Flamenco und Sevillanas. Im Juli dieses Jahres war ich bereits in Sevilla gewesen. Der fantastische Flamenco, den ich dort gesehen habe, ist sicher nicht mit dem Flamenco in Burgos zu vergleichen. Bei der Aufführung in Sevilla stand, wie es traditionell auch sein muss, die Musik im Mittelpunkt, Gitarrenspiel und Gesang, von einer Tänzerin begleitet. Das waren Profis, die da den "besten Flamenco Sevillas" darboten. Leidenschaftlich, schmerzlich, einfach wunderbar. Die Aufführung am Samstag in Burgos hingegen hatte eher etwas von einem Volksfest und damit ihren ganz eigenen Reiz. Dutzende Mädchen, Frauen und Männer jeden Alters sangen, spielten und tanzten auf der Bühne unter einem Zeltdach in Burgos Randbezirk "Barrio del Pilar". Die jungen Frauen tanzten Sevillanas zur Begleitung des rund 25köpfigen, lauthals singenden Chores, jeden Tanz in anderen, aufsehenerregend bunten Kostümen. Die überschäumende Energie und Freude an der Musik wurde vom Publikum geteilt, das sich bunt aus den Bewohnern des Bezirks zusammensetzte: Senioren, kleine Kinder, Männer und Frauen, keinen hielt es still auf seinem Platz. Nach jedem Tanz erscholl ohrenbetäubender Applaus, ein "Olé" wie aus einem Munde. Während der Stücke klatschten nicht wenige die Palmas mit oder donnerten ihre Hacken energisch wie die Tänzerinnen rhythmisch auf den Boden. Eine Frau auf der Bühne stach besonders ins Auge: Eine kleine Person, fast unscheinbar, aber mit einer unglaublichen Ausstrahlung, sobald sie zu tanzen begann: die Tanzlehrerin des Hauses. Der Körper gespannt wie ein Pfeil, expressive Bewegungen und auf dem Gesicht der strenge und zugleich leidenschaftlich zornige Ausdruck einer vom Leben gezeichneten Künstlerin. Der Höhepunkt des Abends dann ihr solistischer Flamencoauftritt.

Der Flamenco hat seinen Ursprung in Andalusien und geht auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zurück. Eine besondere Rolle fällt dabei unter anderem den Zigeunern sowie der maurischen Musik zu. Im Mittelpunkt des Flamenco steht der Gesang. Das rhythmische Klatschen der Palmas, der Tanz und das Gitarrenspiel stellen entgegen des weit verbreiteten Irrglaubens lediglich die Begleitung dar. Die Texte werden in regionalen Dialekten vorgetragen und handeln in der Hauptsache vom Verlust oder der Unerreichbarkeit der Liebe, Leid und Ungerechtigkeit. Der große, schwermütige cante jondo ist dabei vom unterhaltsamen cante chico zu unterscheiden, zu dem unter anderem auch die Sevillanas gezählt werden, eine Unterart des Flamenco, die im Unterschied zu diesem im Paar getanzt wird.

Übrigens: Natürlich sind Pablo und Gloria nicht die richtigen Namen unserer chinesischen Begleiter. Laut Selbstauskunft haben sie sich spanische Namen gegeben, weil die chinesischen Namen für Europäer so schwer zu merken sind. Stimmt mit Sicherheit auch. Ich liebäugele aber auch mit der Theorie, dass man mit dem Namen die Identität wechselt und sich somit einerseits innerlich besser auf die fremde Kultur einstellen kann und andererseits möglicherweise den Zwängen seiner eigenen Kultur besser entfliehen kann. Ist aber noch nicht haltbar, da nicht überprüft. ;-)

Veröffentlicht in Spanische Kultur

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S
Flamenco...the Passiondance...?Gefällt mir schon sehr.Ich liebe eigentlich die ganze Spanien, habe einfach unglaubliche Erinnerungen davon.Danke.
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S
Hey :-)<br /> <br /> Ich finde interessant, dass du das mit den "neuen Namen" deiner chinesischen Begleiter erwaehnst. Bei uns in London haben alle chinesen Englische oder Amerikanische Namen. Sie suchen sich also auch einen neuen heraus :-)<br /> <br /> Deine Theorie ist interessant, aber hier passen Sie sich leider nicht an. Es herrscht ein reger Gruppenzwang (Nein, ich kann nicht mit. Die Gruppe hat sich dagegen entschieden) und allgemeine Gruppenzugehoerigkeit. Trotzdem kann man viel Spass mit Ihnen haben!
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