Mein Navidad

Veröffentlicht auf von Jessica Haß

Weihnachten ist lange gar nicht bei uns eingezogen. Pünktlich zum ersten Advent Ende November hatten Martin und ich uns einen kleinen Adventskranz selbst gebastelt und uns schon einmal einige Lichterketten besorgt, aber mit dem Weihnachtsschmuck waren wir zu diesem Zeitpunkt praktisch die Einzigen in der Nachbarschaft. Die sehr schöne Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen wurde zwar schon früh angebracht, aber erst zwei Wochen vor Weihnachten auch angeschaltet. Die Adventszeit kennen die Spanier höchstens aus dem Gottesdienst, wo an jedem Adventssonntag eine Kerze mehr angezündet wird. In den Wohnungen wird der Advent aber nicht begangen, weswegen es auch schwer ist, Tanne zu bekommen und Martin und ich uns für unseren Kranz etwas Nadelholz aus dem Wald mopsen gehen mussten. Die Tradition des Weihnachtsbaums ist in Spanien mittlerweile angekommen, aber wenn man in seiner Wohnung überhaupt einen eigenen Weihnachtsbaum hat, so ist es eher ein Bäumchen als ein Baum und zumeist aus Plastik. In den riesigen Hypermärkten wie Alcampo oder Carrefour kann man diese Plastikbäumchen in den grässlichsten Farben erwerben, in Schwarz und Silber zum Beispiel. Anstelle des Weihnachtsbaums steht in Spanien die Krippentradition. Überall kann man kleine und große Krippenfiguren kaufen, man kann fertige Krippen kaufen oder diese selbst bauen. Es gibt winzigkleine silberne Krippen in weihnachtlichen Schatullen (Polly Pocket-Größe in etwa) oder lebensgroße und sogar tatsächlich von lebenden Schauspielern nachgestellte Krippen auf Kirchenplätzen (eine Lebendkrippe hatten wir in Burgos zu meinem Bedauern leider nicht). Jedes Geschäft schmückt seine Schaufenster mit einer wunderschönen ausladenden Krippenlandschaft, mit großen Figuren in goldfarbenen Gewändern. Die Krippen gefallen mir so gut, dass ich Martin überredet habe, uns nächstes Jahr in Deutschland auch eine Krippe selbst zu bauen.
Die Geschenke bringt in Spanien nicht der Weihnachtsmann, sondern die Heiligen Drei Könige - los Reyes Magos. Entsprechend findet die Bescherung auch erst am 6. Januar statt, womit wir den Grund dafür haben, dass die gesamte Weihnachtszeit in Spanien praktisch nach hinten verschoben ist. Auch die Tage nach Heiligabend werden - nicht zuletzt aufgrund der Amerikanisierung, die auch hier angekommen ist - mittlerweile groß gefeiert, weswegen es in vielen Familien zweimal Geschenke gibt. Entsprechend der Tradition der großen Weihnachtslotterie werden die Geschenke an Heiligabend in einigen Haushalten "verlost", ähnlich dem Wichteln bei uns.
Die spanische Weihnachtslotterie ist ein faszinierendes Phänomen: Wirklich so gut wie jeder Spanier versucht sein Glück und kauft sich ein Los. Tippgemeinschaften gibt es häufig. Sogar in der Uni hingen für viele Studiengänge Einladungen zur gemeinsamen Teilnahme aus. Vielleicht ist dieses Phänomen der hohen Schicksalsgläubigkeit vieler Spanier geschuldet.
Weihnachten und den Jahreswechsel verbrachten Martin und ich zu Hause in Berlin. Da wir am 4. Januar wie immer über Madrid flogen, nutzten wir jedoch die Gelegenheit und verbrachten zwei Tage in der Hauptstadt. Am Abend des 5. Januar findet in Madrid und einigen anderen spanischen Städten traditionell die Cabalgata de los Reyes Magos - der Umzug der Heiligen Drei Könige - statt. Am Tag vor unserem Abflug hatte ich bereits mit leisem Bedauern mit Weihnachten abgeschlossen. Doch in Madrid fühlten wir uns wie um einige Wochen zurückversetzt. Die Straßen waren hier noch immer weihnachtlich erleuchtet. In der Nähe der Puerta del Sol gab es einen (für spanische Verhältnisse) großen Weihnachtsmarkt. (In Bezug auf Weihnachtsmärkte sollte man in Spanien im Übrigen wirklich nicht zu viel erwarten.) Am Montag Abend um 18:30 Uhr nahm das große Spektakel des Königs-Umzugs seinen Lauf. Von den Nuevos Ministerios bis zur Plaza de los Cibeles bewegte sich der bunte Zug aus Schneeköniginnen, Schneemännern, Feen, Gänsen, einem berittenen Orchester und zahlreichen Wagen, die mit Weihnachten auf den ersten Blick gar nichts zu tun zu haben schienen, wie zum Beispiel der Madagascar-Wagen. Viele Umzugswagen wurden natürlich als Werbeflächen benutzt, zum Beispiel der von grünen und blauen Feen und Elfen bevölkerte Telefonica-Wagen (Telefonica ist quasi die spanische Telekom). Am Ende des Zuges winkten dann endlich die Reyes Magos von ihren Wagen herab, die übrigens jedes Jahr von drei anderen spanischen Politikern verkörpert werden. Martin und ich erwarteten die Könige fast am Ende des Umzugs, direkt an der auf die Plaza de Cibeles zuführende Allee. Es war so voll, dass es schwierig war, überhaupt etwas von dem Umzug zu sehen. Ich würde aus dem Bauch heraus schätzen, dass etwa 1,5 Millionen Menschen auf den Straßen unterwegs waren, um sich den Umzug anzusehen. Mit Jubelgeschrei wurden dann auch die Könige begrüßt, als sie endlich an uns vorbeikamen, jeder der drei auf seinem eigenen Wagen. Nach der an die Kinder gerichtete Kundgebung am Endpunkt des Umzugs durch die Könige wurde die Feier mit einem beeindruckenden Feuerwerk beschlossen, an dessen Ende die Kinder voll Vorfreude auf die Bescherung am nächsten Tag ins Bett gehen konnten. Übrigens könnt Ihr Euch im neuen Fotoalbum noch mehr Bilder vom Umzug angucken.

Veröffentlicht in Spanische Kultur

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P
Wunderschöne Bilder! Weihnachten in Spanien habe ich noch nie gefeiert...Klingt aber schon sehr schön.Würde mal auch probieren.Danke für diese Infos.
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